Prosa und Bild Literaturverfilmungen im LUCHS

 

Seit es das Kino gibt, haben literarische Werke anhaltend als Inspiration gedient. Längst hat sich die Literaturadaption zu einer eigenständigen Erzählform entwickelt, die sich vom ausführlichen Erzählgestus ihrer Vorlagen unabhängig gemacht hat, die Handlungen verdichtet und ganz eigene Auslegungen findet. Aus den Versatzstücken der Erzählung entsteht etwas Neues, Individuelles. Vorgeführt werden herausragende Filme, denen eine ebenso herausragende Literatur als Vorlage herhielte. An manchen Vorführungen gibt eine Einführung.

 


 

Das Zimmer der Wunder
Die Verfilmung des Bestsellers von Julien Sandrel ist ein gelungenes Melodram mit einer guten Portion Humor, einer positiven Grundstimmung – und mit einer tollen Hauptdarstellerin: Alexandra Lamy, die als Thelma eine Frau spielt, die bereit ist, für ihren Sohn Louis, der im Koma liegt, alles zu tun, damit er wieder aufwacht. So stürzt sie sich in die Abenteuer, die ihr Sohn eigentlich für sich selbst vorgesehen hatte, immer nach seinem Motto: „Was ich vor dem Ende der Welt erledigen will, weil das vielleicht früher kommt als erwartet.“ Die Message ist dabei durchaus optimistisch: Genieße den Moment!

Diese Grundidee einer Mutter-Sohn-Geschichte ist nicht nur originell, sie sorgt auch für viele Emotionen, vor allem weil es neben der Krankenhausgeschichte eine zweite Ebene gibt, die immer wichtiger wird. Mit Thelmas Aktionen kommen aber auch Tempo und Action in die Handlung, was für eine positive, sogar heitere Stimmung sorgt.


Die Herrlichkeit des Lebens
Die 25-jährige polnische Dora Diamant – gespielt von der großartigen Henriette Confurius – begleitet im Sommer 1923 eine Gruppe jüdischer Kinder von Berlin in ein Feriencamp an der Ostsee, wo sie als Köchin und Erzieherin mit anpackt und eine unbeschwerte Zeit erlebt. Zufällig trifft sie hier am Strand auf Franz Kafka (ebenso fantastisch gut besetzt mit Sabin Tambrea), einen Mann von Welt aus einer aufgeklärten jüdischen Familie aus Prag. Die beiden scheinen verschiedener nicht sein zu können: Er – der bekannte Literat, der viel seinen Gedanken nachhängt; sie – eine bodenständige Tänzerin, weit aus dem Osten. Sie steht mit beiden Beinen fest auf dem Boden, er schwebt immer etwas darüber. Sie umarmt den Indikativ, er verheddert sich im Konjunktiv. Aber die vermeintlichen Unterschiede hindern die beiden nicht daran, sich auf die gemeinsame Liebe einzulassen. Das Paar verbindet viel, aber besonders interessieren sie sich für ihre Gegensätze. Doch Kafkas Gesundheitszustand verschlechtert sich zunehmend und es bleibt der aufkeimenden Liebe ein einziges Jahr Zeit, bis der Autor viel zu früh stirbt. Deshalb nutzen sie die verbleibende Zeit bestmöglich, um die Herrlichkeit des Lebens in vollen Zügen auszukosten. Das Regie-Duo Georg Maas und Judith Kaufmann inszenierten eine wunderbare Kino-Adaption des gleichnamigen Romans von Michael Kumpfmüller. Ihr Film bewahrt dabei ein atmosphärisches Gleichgewicht zwischen dem gelebten Glück des Moments und der allgegenwärtigen Bedrohung durch die Krankheit.


The Zone of Interest
"The Zone of Interest" vermeidet gezielt gängige Zuschauererwartungen. Der mit zwei Oscars dekorierte Film liefert eine grauenhaft nüchterne Alltagsschilderung des Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß und seiner Familie. Dieses Werk ist so eindrücklich, weil er das absolute Gegenteil von aufklärenden Spielfilmen mit augenfälligen Gut-und-Böse-Schema ist. Familie Höß lebt in einem geräumigen Heim mit idyllischem Garten voller Blumen, Gemüse und einem Pool. Ein Wohlstandsrefugium, eingefasst von einer Mauer, hinter der im Lager Tag und Nacht Menschen ermordet werden. Nie wird abgebildet, was dort passiert, doch die Tonspur ist gnadenlos: Schusslaute, Brüllen und das Wummern der Krematorien sind allgegenwärtig.
Der Kommandant von Auschwitz ist ein biederer Familienvater, Hedwig Höß eine sachbetonte Hausfrau. Beide ergreifen jede Gelegenheit beim Schopf, welche das System sich für ihnen bietet, um ihre eigenen Lebensumstände angenehmer zu machen und ihre Reputation zu steigern. Eine Modell der Banalität des Bösen..
Für den bedrohlich abstrakten Score zeichnet einmal wieder Mica Levi (auch bekannt unter dem Pseudonym Micachu), eine der bedeutenden Innovatorinnen der Filmmusik verantwortlich, die mit nur wenigen Filmwerken ihren ganz eigenen und unverkennbaren Stil gefunden und weiter verfeinert hat.

Das Buch »Interessengebiet« von Martin Amis war Inspiration für den Film »The Zone of Interest«

2 OSCARS , u.a. Bester Ausl. Film! Großer Preis der Jury Cannes 2023! GOLDEN GLOBE nominiert! Nominiert für 5 Europ. Filmpreise (Bester Film, Beste Regie, Bestes Drehbuch, Sandra Hüller, Chrtstian Friedel).

Genre
Drama

Klassenstufe
ab 11. Klasse

Altersempfehlung
ab 16 Jahre

Unterrichtsfächer
Geschichte, Deutsch, Philosophie, Ethik, Medienkunde, fächerübergreifend: Demokratiebildung

Themen
Nationalsozialismus, Konzentrationslager, Vernichtungslager, Auschwitz, Holocaust, Militär, Polen, Rechtsextremismus, Schuld, Täter, Antisemitismus


Was uns hält
Anfang der 1980er Jahre in Neapel wirft Vanda ihren Mann Aldo aus der Familienwohnung. Aldo hat ihr gestanden, dass er eine Geliebte hat. Die Kinder Anna und Sandro hängen stark am Vater, der sich einfühlsam um sie gekümmert hat. Die neue Partnerin Lidia würde sich den Kindern, wenn sie ihn in Rom aufsuchen, ebenfalls gerne widmen. Aber das will Aldo nicht. Andersherum verlangt Vanda über Jahre hinweg, dass er zu ihr und den Kindern zurückkommt. Im dramatischen Geschehen, in welches sich die Eltern verstricken, gibt es lediglich zwei unschuldige Opfer: ie Kinder Anna und Sandro. Der italienische Regisseur Daniele Luchetti vertieft sich über einer Zeitspanne von 30 Jahren in die Facetten einer familiären Bindung.

Alba Rohrwacher (Zwischen uns das Leben) stellt die verbitterte, unglückliche Vanda mit starker Präsenz dar, lässt sie als Mensch begreiflich werden, doch nicht sympathisch. Und überhaupt: Das Kinopublikum muss sich seine Empathie ständig neu ausrichten. Jene realitätsnahe, dramaturgisch geschickt präsentierte Story bewegt und regt zum Nachdenken an.


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